Mittwoch, 17. November 2010

Hans-Herbert oder Ein ganz normaler Gartennachbar

(1996 für den Barnimer 'Eberhard' geschrieben)

Er ist eigentlich überhaupt nicht mein Gartennachbar, jedenfalls nicht im üblichen Sinne, wie ich Ihnen später noch erklären werde. Ich glaube, Hans-Herbert ist auch nicht sein richtiger Name, aber ich möchte ihn auch irgendwie etwas kränken: Hans-Herbert klingt nämlich für meine Ohren überhaupt nicht nett...
Unsere Geschichte ist auch überhaupt nicht neu. Ob sie je verfilmt wurde, weiß ich zwar nicht (ist mir auch ziemlich egal!), geschrieben wurde jedenfalls schon oft über uns, ich meine über Hans-Herbert und mich. Wenn ich sage mich, dann meine ich selbstverständlich alle aus meiner Sippe. Hans-Herbert muß nun auch nicht gerade der Hans-Herbert sein. Verstehen Sie mich eigentlich? Na ja, wahrscheinlich muß ich etwas mehr ausholen, also... Augenblicklich bitte ich aber um eine kleine Pause, denn ich merke, wie er sich nähert. Ich muß also einen Moment abtauchen, wenn Sie wissen, was ich meine.

Tja, da bin ich also wieder. Wie ich ihn, Hans-Herbert, so gut erkenne? Seine Gangart ist gestört. Hinken kann man es wohl nicht nennen, aber irgendwie wirken seine Bewegungen immer unregelmäßig und unkoordiniert. Er sprach vor Wochen mal mit einem anderen Nachbarn über Beschwerden, an denen er seit geraumer Zeit wohl leidet. Nein, ich lausche eigentlich nicht, aber manche Dinge bekommt man einfach ungewollt mit. (Sie glauben ja gar nicht, wie sich manche Leute auch beschimpfen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Ich sage nur: Menschen!) Jedenfalls fiel einmal der Begriff "unklare Schwermetallsymptomatik". Von Herbiziden, Pestiziden, Fungiziden und solchen Dingen war auch noch die Rede. Der andere Nachbar nannte ihn dabei wohl bei seinem richtigen Namen: er sagte Spray-Dosen-Ede zu ihm. (Übrigens etwas weiter weg wohnt einer, der heißt Goldkettchen-Ede. Ich habe vielleicht gelacht.) Ede scheint jedenfalls ein häufiger Name zu sein...
Ich schweife aber schon wieder ab. Dieser starke Geruch bringt mich aber auch völlig aus dem Konzept. Hans-Herbert (ich bleibe jetzt bei diesem Namen!) hat also wieder mächtig "rumgeschweinigelt". So nennen es jedenfalls manchmal die Menschen. Daran erkennt man wieder sehr deutlich, daß sie die Igel überhaupt nicht kennen. Also, der Igel an sich...
Nein, nein, nein, das werde ich jetzt aber nicht erzählen. Wir sind ja gerade bei einem ganz anderen Thema: Mein Nachbar, der Mensch oder so ähnlich, falls Sie schon ahnen, was ich meine. Hans-Herbert ist jedenfalls eine ziemlich zwiespältige Persönlichkeit: Einerseits liebt er die Natur (Gartenfreund, Laubenpieper und so), andererseits rennt er (humpelt er) ständig allen möglichen Vertretern der krabbelnden und flatternden Insekten nach, um sie mittels seiner Spraydosen zu bestäuben, was denen meist überhaupt nicht gut bekommt. Eine große Portion Absicht scheint dabei deutlich mit im Spiel zu sein. Anfangs dachte ich auch, er sei ziemlich schlau, grub er doch in frischen Maulwurfshügeln nach Würmern... Aber Würmer wollte er gar nicht. Er wollte Maulwurf.
Mich schüttelts bei diesem Gedanken! Legten andere Gartenfreunde noch in Seifenlauge gekochte Nüsse in die Gänge, um unsereiner zu vergraulen (... das ist auch wirklich eine üble Masche!), zog er die aktivere Bekämpfungsmethode vor: Giftgas, Giftköder (wie hinterhältig!). Na, jetzt wissen Sie ja, wer ich bin. Sie können sich auch leicht denken, weshalb ich bei dieser Geschichte nicht ganz unparteiisch sein kann, nicht wahr? Eigentlich wollte ich Sie auch nur bitten, auf solche Cocktails in unserem Sinne zu verzichten. Mit in unserem Sinne meine ich auch in Ihrem Sinne... Sehen Sie, die ständige Anwendung der verschiedensten Pflanzenschutzmittel (diese Bezeichnung muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, oder vielleicht lieber doch nicht...), Insektengifte und anderer bösartiger Substanzen, kombiniert mit einem Schuß (manchmal war es auch etwas mehr, als ein Schuß) solcher gutklingenden Lösungsmittel, wie Butylacetat, Isopropanol oder Petrolether, hat mich nicht umgebracht, sondern andere wundersame Veränderungen hervorgebracht: Ich kann denken! Ja, ich meine das so, wie Sie es für Ihre Gattung zu verstehen meinen. Denken!

Unglaublich, was? Noch weiß ich nicht, ob ich darüber glücklich sein soll... Schnüffelte ich doch früher jedem Regenwurm hinterher, döse ich jetzt manchmal mit knurrendem Magen und sinniere dabei über Begriffe, wie kovalente Bindung, Löslichkeitsprodukt, LD50, biologische Halbwertszeit usw. Deswegen kann ich ihnen wirklich nicht sagen, wie ich's finden soll. Einen Vorteil, hat aber die Angelegenheit: Ich bin wehrhaft geworden!
Meine Quellen möchte ich Ihnen noch nicht preisgeben, aber ich habe Kenntnisse z.B. über das Akkumulationsverhalten verschiedener Schwermetalle und auch über die Mutagenität verschiedener heterozyklischer Verbindingen. Geht Ihnen schon ein Licht auf?

Jetzt grabe ich mich gerade zur zweiten wasserführenden Schicht durch, was nicht gerade einfach ist. Da kann ich mein Wissen noch effektiver einsetzen. Sie verstehen schon: Wasserpumpe und so.
Sie glauben ja gar nicht, welche Mengen toxischer Substanzen ich in kürzester Zeit in diesem Garten zusammensammeln konnte...


Wieder ein Abend mit Erich

(04/2006)

Wie haben wir uns gefreut! Naja, Marie musste ich schon etwas überreden.
Beim letzten Konzert im Columbia blieben wir drei Freunde nach dem Ende noch fast eine Stunde stehen, genossen den Ausklang bei einem Bier und sahen den Roadies beim Abbau zu. Wir beschlossen, beim nächsten Mal unbedingt unsere Frauen mitzunehmen.

Ich liebe diese "Rentnerkonzerte"! Diese fangen stets pünktlich an, dauern mit Zugabe genau 90 Minuten. Wie auf Knopfdruck kommt dabei die Stimmung (auch ohne Anheizer-Band) und man akzeptiert diese einzige geplante Zugabe, weil man ohnehin lange genug gestanden hat... Und ganz wichtig ist, dass es dort wenig Akzellerierte gibt, die einem die Sicht zur Bühne versperren könnten. Man wird also von den anderen Grauköppen, Glatzköpfen und lederbewamsten Langhaarigen oder Bekopftuchten selten überragt. Meist ist auch der Andrang so gemäßigt, dass man zwischendurch ruhig sein Bier holen kann und dennoch den Stammplatz wiederfindet.
Über die Musik muss ich hier natürlich nichts sagen. Das Ist doch klar!

An diesem Sonntag war es aber ganz anders. Schon, dass es ein Sonntag war und kein Freitag oder Sonnabend. Wir fuhren so los, dass wir gemütlich unseren Stehplatz einnehmen hätten können, vielleicht schon ein Bier kaufen und dann dem Beginn lauschen würden. Pustekuchen!
Es war garnicht im Columbia, wo man meist auf dem Mittelstreifen parken kann oder, sollte es ausnahmsweise besetzt sein, immernoch im Flughafengelände einen guten Parkplatz findet.
Nee, Kulturbrauerei war angesagt, d.h. im Prenzlberg, dort, wo man zu keiner Zeit eine ausreichende Lücke findet...
Parkhaus? "Besetzt" stand dran, aber vielleicht bedeutet das nur "Besetzt für Nicht-Konzertbesucher"?. Da die Schranke sich nicht hob, hieß "Besetzt" wirklich "Besetzt". Im Rückwärtsgang in Kolonne auf die Einbahnstraße zurück, neue Runde, noch zehn Minuten.
Mist, jetzt fängt das Konzert an! Letzte Chance (naja, 'ne halbe Stunde verpassen wir nun leider!): Schnell zum Alex, Parken auf dem Mittelstreifen, Taxistand vor dem Hotel...
Eine halbe Stunde nach Beginn waren wir dann im Innenhof und mussten Anstehen! Etwa 150 Meter doppelte Menschenschlange trennten uns noch vom Eingang. Da nichts zu hören war, hofften wir, die Animals warten, bis alle drin sind. Oder ist das alte Kesselhaus so gut schallisoliert?
Wir schafften es zum Eingang (widerstandslos ließ ich mir die Kamera abnehmen), und wir betraten den "Saal".
Die Musik war etwas fremd. Noch nie habe ich eine Vorband so gemocht!

Bier gab es, nicht die richtige Sorte, aber immerhin. Wir drängelten zur Biertheke und blieben dann dort in der Nähe stehen. So voll kannte ich es nicht, nicht im Huxley's und nicht im Columbia. Wir waren mit unserem ältesten Sohn und mit Freunden verabredet, aber schätzten die Chancen auf ein Begegnen als eher gering ein. Dann erklang auch schon die "spanische" Variante des Intros zu "Don't Let Me Be Misunderstood"...
Das Konzert war grandios wie immer. Angeblich nicht so, wie auf den Sommerfestivals, aber da fehlte uns der Vergleich. Umarmt wippten wir durch die bis dahin eineinhalb Stunden, genossen die Musik, und zwangen durch unseren anhaltenden Applaus ALLE Musiker des Abends zum gemeinsamen Finale erneut auf die Bühne. Wahnsinn!

Wir blieben danach noch völlig fasziniert stehen. Der Saal leerte sich allmählich, wir trafen dann unsere Freunde, unser Kind und weitere Bekannte. Paula, die rothaarige Bass-Gitarristin der (ganz neuen) Animals ging noch mit einem lächelnden Gruß durch unsere Gruppe.
Wollte sie vielleicht für sich auch einen Hauch dieses "post concert feelings" einfangen?

Alte Rostlaube...

(01/2006, 11/2010)

Was man auch sonst so alles erleben kann, zeigt eine kurze Begebenheit am 5. Januar 2006 gegen 18:45 Uhr an der Ampelkreuzung Acker-/Ecke Wilhelm-Pieck-Straße (die heißt jetzt anders) - damals durfte ich auch noch in die ZONE einreisen.

Als es gerade grün wird, reißt jemand die 'Tür' auf: "Oh! Was ist denn das? Wo gibt's denn den? Wer baut denn so etwas? Das Lenkrad ist ja gar nicht rechts...".
Meine Antworten fallen eher einsilbrig aus, der nachfolgende Fahrer rangiert bereits, böse Blicke verlierend, vorbei. 
Als es gelb wird kann ich etwas ausführlicher antworten. Der Besucher verabschiedet sich nett.

Kurz bevor es wieder grün wird, kommt der Fremde noch einmal zurück und fragt: "Und wo bekommt man den?".